Autogrammkarten-Sammler in der Schweiz

Täglicher Arbeitsweg in Luzern.

Im Schulhaus Kottwil im Kanton Luzern sammelt Rolf Lindemann Autogrammkarten von Autoren und Autorinnen in einer kleinen Box – neben den Urlaubskarten seiner Fünft- und Sechstklässler. Eine anschauliche Menge hat er darin schon gehortet, so oft hat im Leslie Schnyder vom ZEMBI an der PH Luzern jemanden an die Schule geschickt.

Das alte Schulhaus von Kottwil – mit Brunnen vor der Tür.

Jedes Jahr ist an der Schule eine Autorenlesung, jeweils abwechselnd für die einzelnen Jahrgänge. Da braucht die Autorin nicht erst fragen, ob die Kids wissen, wie die Veranstaltung normalerweise abläuft. Klar doch: Erst lesen, zwischendrin diskutieren und lachen und dann ganz viel fragen. In der nigelnagelneuen Schule – viel Holz, helle Farben und ein Balkon mit einem weiten Blick in die sanfte Schweizer Landschaft – ist die Atmosphäre genau so herzlich und persönlich wie der gastgebende Rolf Lindemann. Schließlich gehen hier nur 50 Schülerinnen und Schüle ein und aus. In Ebersecken sind es nochmal eine Handvoll Kinder weniger. 15 davon habe ich vorgelesen – allen Kindern aus der Jahrgangsstufe 3 bis 6. Und selbst in dieser wirklich entlegenen, aber dafür super entzückenden, kleinen Schule, die mangels Schülerzahlen leider nächstes Jahr schließen muss, gibt es eine gut bestückte Bibliothek. Gehört einfach dazu in einer Schweizer Primarschule.

Unglaubliche Buch-Auswahl in Steinhausen.

Nun haben sie in Ebersecken jetzt nicht ganz so viele Medien wie Pia d’Oto aus Steinhausen ausleihen darf: Stolze 30.000 sind es dort. Mit zwei Kolleginnen empfängt Pia D’Oto jede Klasse einmal in der Woche für eine Stunde in der Mediathek. 2022 habe ich mich ja spontanverliebt in diese lesebessene Schule. Und das auch – aber nicht nur – weil ich das letzte Mal eine sooo schöne Rückmeldung bekommen habe: „J. meidet seit Jahren Bücher und liest lediglich das, was er unbedingt muss um seine Hausaufgaben zu lösen. Nach Ihrer Lesung kam er schwer begeistert von der Schule nach Hause und hat sich sogar in der Mediathek als Erster „Linkslesestärke“ ausgeliehen. Und er hat es tatsächlich geschafft das ganze Buch zu lesen – für ihn ein riesengrosser Effort. Entsprechend stolz war er auf sich. Langer Rede kurzer Sinn. Seither hat er tatsächlich angefangen auch andere Bücher zu lesen und zu Weihnachten hat er sich „Linkslesemut“ gewünscht – noch vor ein paar Monaten undenkbar. Ich möchte Ihnen von Herzen für diese wunderbare Begegnung danken. Für J. war es ein riesiger Gewinn.“ Das ist auch für mich unglaublich motivierend und wunderschön.

Wie schön, dass ich in diesem Jahr nochmal vorbeischauen durfte. Und die Lesungen waren – wenn es das überhaupt noch geben kann – nochmal perfekter als im vergangenen Jahr. Ich habe mit der Linkslesestärke auch jede Menge neuer Wortspiele mitgebracht: Allen voran ein Stein-Hausen 😊 Und dann sind da aber noch Sonnen-Brille-Kreis-Lauf, Kletter-Steig, Unter-der-Erde und Clown-Nase. Aus Ebersecken sind neu hinzu gekommen: Lehr-Person, Bam-Bus, Oa-Asse und Eis-Bär (wie immer alles zu finden in der Wort-Acker-dem-ich auf www.linkslesestaerke.de).

Gibt den Autoren jedes Jahr eine Heimat: Das Hotel Rebstock.

Aber nicht nur der kreative Seite, auch die kulinarische ist das, was ich an der Lesereise nach Luzern sehr liebe. Das liegt an der netten Unterbringung im „Rebstock“, und an der Gastfreundlichkeit der ehemaligen Besitzerin Claudia Moser, die es sich mit 84 Jahren immer noch nicht nehmen lässt, einmal in der Woche alle Autoren (und es sind in vier Wochen über 50 gewesen dieses Mal!) zu sich in die Stube einzualden und zu bekochen.

Und damit ich nicht nur von Kottwil, Ebersecken und Steinhausen schwärme: In Triengen haben wir echt viel Spaß gehabt mit der „Fanny“, rosa Perücken, einer Menge lustiger Ideen für neue Geschichten – wie wäre es zum Beispiel mit einem Schulkeller, in dem alle beschlagnahmten Gegenstände plötzlich ein Eigenleben bekommen?

Lesung in der Luzerner Primarschule Moosmatt.

Und in der Luzerner Primarschule Moosmatt hätten wir am liebsten gleich einen Adventskalender mit einer skurrilen und gruseligen Fortsetzungsgeschichte geschrieben.

Apropos Fortsetzungsgeschichte – darf ich nächstes Jahr wiederkommen nach Luzern?

Eiserner Tugendwächter

Oben von l. nach r.: Rieke Patwardhan, Oliver Schlick, Anja Janotta, eisener Ritter, Kai Pannen, Rebecca Elbs, christian Linker; unten von l. nach r.: Rüdiger Bertram Antonia Michaelis, Hansjürgen Feldhaus, Katja Frixe.

Immer wenn wir Autorinnen und Autoren in Braunschweig sind, verfolgen wir ein paar eingespielte Rituale, die sich im Laufe der vielen Jugendbuchwochen etabliert haben. Das obligatorische Foto mit dem eisernen Ritter in unserem bewährten Hotel Deutsches Haus gehört dazu zum Beispiel. Zum 43. Turnus der Lesungsveranstaltung haben wir es sogar geschafft, mehrere wunderbare Gruppenfotos aufzunehmen.

Kann man uns die ausgelassene Klassentreffen-Stimmung ansehen? Vielleicht ein bisschen, denn der gute eiserne Kerl war plötzlich um eine Tarnung reicher: Sonnenbrille und Schlapphut. Vielleicht damit er später nicht so genau hinsah, was die plötzlich losgelassenen Autorinnen und Autoren noch so ausgeheckt haben.

Mit dabei waren neben meinen beiden Münchner Kolleginnen Annette Röder und Silke Schellhammer außerdem noch Christian Linker, Katja Frixe, Oliver Schlick, Kai Pannen, Will Gmehling, Rüdiger Bertram, Rebecca Elbs, Rieke Patwardhan, Antonia Michaelis und Hansjürgen Feldhaus. Da ist Klassenfahrt-Stimmung quasi vorprogrammiert.

Ach ja, gelesen habe ich auch. Ganz schön oft und mit viel, viel Spaß. Das Witzige ist – wenn man so ein miserables Namensgedächtnis hat wie ich – dass man plötzlich in Schulen steht, die ein echtes Déjà-vu-Erlebnis bereithalten. In der Nibelungen-Realschule war ich nun schon das zweite Mal (und habe es erst beim Eintreten in die Aula bemerkt) und in der Hauptschule Sophienstraße ebenfalls. Ist dann fast wie heimkommen – aber das ist die Jugendbuchwoche in Braunschweig ohnehin. Mittlerweile schon das vierte Mal für mich – wobei eine Woche während Corona lediglich online war.

Büchertisch für alle Interessierte.

Zu den Ritualen gehört natürlich auch der Begegnungsabend mit den Veranstalterinnen und Buchinteressierten am Montagabend und die lange und ausführliche Buchhandlungstour bei den liebevollen und so unglaublich persönlich engagierten Organisatoren Bücherwurm und Graff. Denn mit Bahnstreik und Fliegerbombenalarm lief so einiges anders als geplant in dieser 43. Jugendbuchwoche und die Organisatoren hatten alle Hände voll zu tun mit diesen unvorhergesehenen Herausforderungen.

In der YA-Abteilung von Graff. Ganz rechts: Buchwochen-Organisator Thomas Wrensch.

Dieses Mal durfte ich sogar einen kleinen Eindruck einer ganz besonderen Abteilung von Graff gewinnen: In einem Nebenraum werden die Tausende (wirklich T-A-U-S-E-N-D-E) von signierten YA-Büchern verpackt und verschickt. Eine logistische Meisterleistung und heiß geliebt von jungen Leserinnen in der ganzen Republik – allen voran von meiner leidenschaftlich lesenden Tochter daheim.

Dabei hatte die Woche mit einem Unfall angefangen: Der Buchhändlerin, die einen Büchertisch in der Grundschule Waggum ausrichten wollte, riss der Riemen der Tasche, die Wasserflasche krachte auf die Betontreppe und die Scherben fügten ihr so tiefe Schnittwunden zu, dass sie erst mal ins Krankenhaus zum Nähen musste.

Es geht ihr mittlerweile wieder gut, hat Kai Pannen bestätigt, der sie am nächsten Tag getroffen hat. Mir hat man zum Glück erst nach den Lesungen davon erzählt, sonst wäre ich echt durch den Wind gewesen. So aber habe ich ungestört neue Wortspiele eingesammelt für die Wort-Acker-dem-ih auf www.linkslesestaerke.de. Insgesamt habe ich aus Braunschweig mitgebracht Kaffee-Maschine, Blumen-Topf-Erde, Esels-Ohr. Schokoladen-Tafel und Hoch-Wasser. Ach, ich könnte gleich wieder umkehren und noch mal eine Runde beim Eisernen Tugendwächter vorbeischauen. Ich nehme auch die rosa Perücke mit.